UCI Masters World Championships 2016 Val di Sole
Die Weltmeisterschaft ist vorbei. Ihr alle wisst, was passiert ist. Ihr habt vermutlich live auf Redbull TV verfolgt, wie Mondraker in Person von Florent Payet, Laurie Greenland und allen voran Danny Hart mit einem unglaublichen Triple Mountainbike Downhill Geschichte geschrieben hat! Aber ihr habt es von der Couch aus beobachtet. Jetzt stellt euch mal vor, ihr hättet selber in Val di Sole am Start gestanden? Richtig geil? Absolut! Und wisst ihr was: ihr müsst nur alt genug werden, um genau dieses Gefühl erleben zu können. Denn jedes Jahr genau eine Woche vor den Elitefahrern sind die Masters dran. Nehmt euch die Zeit, lehnt euch zurück und genießt den ausfühlichen Bericht von unserem Kumpel Matthias Reichmann aka Matze, der uns von seinem ganz persönlichen WM Erlebnis berichtet.
Eine Masters-WM, was ist das? Masters sind die Altersklassen über 30. Eine Kategorie, in der man freiwillig starten kann – sprich: Wer sich mit Anfang 30 noch nicht zum alten Eisen zählt (und keine Weltranglistenpunkte auf dem Konto hat), dem steht es frei in dieser Klasse zu starten anstatt sich in der Elite mit den Allerbesten zu batteln. Es gibt auch eine spezielle Masters-Lizenz hierfür.
Wieso macht man das: Nun, es gibt 3 Arten von Masters: Die einen sind ehemalige Elite-Fahrer, denen die Elite zu stressig wurde, die dort trotz guter Leistungen einfach nur im Mittelfeld unterwegs waren und mal in einer „dankbareren“ Klasse starten wollen.
Die anderen Masters sind Leute, die in der Elite so richtig vorn waren, ein paar Jahre keine Races mehr besucht haben, und denen es wieder unter den Nägeln brennt. Für diese Art von „Altmeistern“ ist die Masters-Klasse eigentlich gedacht. Typische Vertreter dieser Spezies wäre meines Erachtens Leute wie Markus Bast, Stefan Herrmann oder Corrado Herin.
Die dritte Personengruppe sind Leistungsmenschen, die im hohen Alter noch mit dem Downhill anfangen. Hier fällt mir spontan Stephan Mangelsdorff oder Andy Brunner ein. Von Letzterem habt Ihr in Zusammenhang mit DH noch nichts gehört, doch das wird sich ändern wenn Ihr hier zu Ende lest.
Doch warum fahren all diese Menschen nun in der Masters-Klasse: Weil es einfacher ist, ein gutes Resultat einzufahren? Naja… das kann ernsthaft in die Hose gehen, da mittlerweile sehr viele wirklich schnelle Leute Masters fahren. Ok, Platz 15 von 60 bei den Masters sieht nicht ganz so blöd aus wie Platz 60 von 200, da man das 200 gern übersieht, jedoch ist der eigentlich Grund, warum es einfach geil ist, Masters zu fahren, die alljährliche Masters-WM!
Um Elite-WM zu fahren, muß man vom Nationalen Verband nominiert werden. Der Verband hat ein Kontingent von wenigen Fahrern und nominiert jene Repräsentanten, die im Weltcup das Aushängeschild des entsprechenden Landes sind – in Deutschland wären das z.B. Fahrer vom Kaliber eines „Fischi“ Fischbach, Jasper Jauch, Marcus Klausmann oder Benny Strasser. Als Normalsterblicher kann man sich eine Teilnahme an der WM einfach abschminken. ES SEI DENN, MAN IST ÜBER 30 UND MASTER.
Dieses Jahr fand dieses Event am Wochenende vor der Elite-WM im schönen Val di Sole statt.
Diese Strecke hat den Ruf, eine der härtesten der Welt zu sein: Sie ist richtig lang, steil, felsig, wurzelig, und bei Regen auch mal etwas unberechenbar bis verdammt gefährlich. Man denke an den IXS European Cup 2014 dort im strömenden Regen. Heil herunterzukommen war auch für die Besten ein Glücksspiel. Aber nun zum eigentlichen Event:
Am Mittwoch begann die WM mit der Startnummerausgabe und dem Trackwalk. Hier war die Stimmung unter den Fahrern etwas zwiegespalten: Während einige Fahrer das blanke Grauen bekamen, ja sogar schon nach Hause fuhren, fanden andere es uncool, dass wir „Opis“ bei den 3 geilsten Passagen eine leicht abgeschwächte, jedoch längere Line als die Elite bekamen. Immerhin hatten wir 2014 beim IXS-Cup auch alle die gleiche Strecke, und das war praktisch die selbe wie die Weltcupstrecke von 2015 – und die sind wir im strömendem Regen gefahren, und meine Wenigkeit hatte nicht mal Matschreifen drauf (es heißt Val die Sole – da nehm‘ ich doch keine Matschreifen mit… haha). Aber egal, es war so wie es war, und der Veranstalter bot uns trotzdem eine pervers geile Strecke – Val di Sole steht für Qualität, und auch leicht entschärft ist es nach wie vor eine abartig anspruchsvolle Strecke.
Einige von uns alten Leuten waren bereits im Vorfeld heimlich in Val di Sole beim Trainieren. Da 2 Strecken abgesteckt waren, wurde zum Teil die Line der Elite eintrainiert. Aber das schadet ja nicht unbedingt. Dort, wo es 2 Lines gab, war die Elite-Line mit blauen Stäben markiert, während die Masters-Line mit roten Stäben abgegrenzt wurde.
Vom Lift aus zeigt sich Val di Sole in seiner ganzen Steilheit. Diese Passage zum Beispiel war für Elite und Masters identisch.
Eine typische Val-di-Sole-Passage: steil, technisch anspruchsvoll und off-camber.
Der DeutscheTorsten Paulitz, der Luxemburger Staatsmeister Christian Colbach und der flotte Otto (v. links nach rechts) beim Trackwalk
Eine der lockereren Passagen in Val di Sole. Oben der Mann mit der Leiter: Sergio, der Eventscheff.
Donnerstag und Freitag:
Von nun an ging es ans Eingemachte: TRAINING!!! Das Geile bei der Masters-WM: Trainingszeit en Masse. Allein das ist es schon wert hier mitzufahren. Am Donnerstag 6 Stunden Trainingszeit, am Freitag ebenso. Die Masters-WM ist das einzige Rennen, wo man während der Trainingszeit noch Mittagspause macht – ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen.
Extra für Euch habe ich einen recht frühen Trainingslauf aufgezeichnet. Bedenkt, dass mit der Gopro alles nur halb so wild aussieht wie es in Realität ist:
Samstag: Seeding run
Nachdem wir nun 2 Tage fröhliches „den-Berg-runterballern“ hatten, wurde es am Samstag Morgen ab 11 h zum ersten Mal ernst: Die Seedingruns starteten. Nachdem wir unsere Warm-up-bikes zum Start hoch brachten, fiel mir bei der Abfahrt via Gondel ein Fahrer der 50-54-Jahre-Kategorie auf. Auf den ersten Blick glaubte ich einen Elite-Fahrer bei einem Weltcup zu sehen… seine Zeit betrug 4 min 00 … eine ziemliche Hammerzeit, zumal meine Kumpels in dieser Kategorie offensichtlich Zeiten von unter 6 Minuten anpeilten. Unten angekommen stellt ich fest, dass dieser 4-Minuten-Mann kein Geringerer als Corrado Hérin war! Für alle Jugendlichen unter Euch: Corrado war 1997 Gesamtweltcupsieger, sprich einer der Schnellsten der Welt. Und offensichtlich ist er das immer noch.
Werfen wir zunächst einen weiteren Blick auf das Starterfeld: Da finden sich Nathan Rankin, neuseeländischer Meister und erfolgreicher Elite-Weltcupper noch vor wenigen Jahren (er fuhr 2-Stage und später Iron Horse), Steve Jones (DER Steve Jones, die Dirt-Legende), und auch von den Deutschen sind einige richtig Schnelle am Start: Stefan Herrmann, Frank Hedwig, Benny Herold und der amtierende dt. Masters-Meister Christian „Schlote“ Junker. Oder kurz: Es war fast alles da, was Rang und Namen hat, über 30 ist und eine Masters-Lizenz hat. Entsprechend groß war das Starterfeld: Masters 1 ca. 80 gemeldete Starter, Masters 2 ca. 80 gemeldete Fahrer… zum Vergleich, in Südafrika 2013 waren es ca. 120 Starter in ALLEN Masters-Klassen (Masters 1 bis Masters 6 zusammen).
Kennt Ihr diese Stunde vor Eurem Start zum Rennlauf oder Seeding-Run? Diese Stunde der Nervosität, wo man 3 mal auf’s Klo rennt, innerlich total unruhig ist und sich einfach nur wünscht, dass man unten im Ziel ist? Hier war es anders: Ich war total ruhig und hatte richtig Bock auf meinen Lauf! Meinen Kumpels ging es offensichtlich allen ähnlich. Außer Micha Krüger, den traf ich oben am Start sichtlich erheitert über den Umstand, dass ein gewisser Jean-Pierre Bruni hinter ihm startete… ratet mal, wessen Vater das ist?
Unten angekommen hatte unser „Deutschland-Pit“ fast durchweg gute Seedings! Ich kann mich erinnern, wie Stephan M. aus H. noch meinte, sein Ziel sei unter 6 Minuten… er hatte sein Ziel um ganze 12 Sekunden unterboten! Mein Ziel war primär sauber runter zu kommen – denn dann war eine Zeit von unter 5 Minuten sicher, mit etwas Gas war eine 4 min 30 angepeilt. Die Strategie dorthin: Zu allererst positiv peilen und sich auf seine geilen Lines durch das Grobe freuen und diese konsequent durchziehen! (die andere, weniger optimale Strategie wäre folgende: Vor dem Lauf Angst haben, an sämtliche kritische Passagen denken (in Val di Sole also mehrere Dutzend… so alle 3 Meter eine) und sich über sämtliche Sturzmechanismen und Fehler, die man machen kann, im Klaren sein. Denn dann ist man auf diese fokussiert, und man nimmt mit Sicherheit die alle mit). Bei einem normalen Rennen gehört zur Vorbereitung, dass man sich über seine Bremspunkte bewusst wird und sich im Vorfeld überlegt, wo strategisch richtig die Schaltpunkte liegen um immer im optimalen Gang zu sein – diese werden dann in den Ablauf eingearbeitet. In Val di Sole ist es eher so:
- Schaltpunkte: eigentlich nur kurz vor der Zielgeraden, nämlich in den schwersten Gang,
- Bremspunkte: in sehr vielen Passagen muß per Stotterbremse gefahren werden. „Stotterbremse“ ist sozusagen die Schleifbremse für Fortgeschrittene, eine Technik, die im DH-Racing eigentlich gar nichts verloren hat und eher ein Anfängerfehler ist. In Val di Sole jedoch wird fast jeder Fahrer irgendwo mal kurz zum „Anfänger“.
- Stattdessen werden „5-finger-deathgrip-Passagen“ in der Sequenz implementiert: Einige Passagen werden bewusst und absichtlich mit allen 5 Fingern am Griff gefahren - um Armpump entgegen zu wirken und um überhaupt in der Lage zu sein seinen Lenker fest zu halten, da diese Strecke einige wirklich richtig böse Kompressionen enthält. Normalerweise mache ich mir darüber keine Gedanken, da ich normal fast immer einen Finger auf dem Bremshebel liegen habe um schneller reagieren zu können.
Es sollte klar sein, dass speziell in diesen 5-Finger-Deathgrip-Passagen die Line zu 100% definiert sein muß. Ein kleiner Fehltritt kann zu einem Crash mit schwersten Verletzungen führen. Man denke an Cedric Gracia, der sich vor wenigen Jahren hier beim Weltcup das Becken zertrümmerte. Man munkelt, eine abgerissene Bremsleitung sei der Grund gewesen. In Val di Sole hängt das Leben und die Gesundheit unmittelbar an der zuverlässigen Funktion der Bremse. Und ebenso zeichnet sich die Reifenwahl ab: Die meisten Fahrer bevorzugen Reifen mit aggressivem Profil, die beim Anbremsen maximale Traktion bieten. Meine Wahl waren Minion DHR II, top Seitenhalt und trotzdem gute Traktion beim Anbremsen. 2014 hatte ich Magic Marys drauf, die eignen sich auch super für Val di Sole. Viele Fahrer fuhren sogar Matschreifen obwohl es (fast) das ganze Wochenende furztrocken war.
Mein eigener Seedingrun war ganz gut, ich traf fast alle meine Lines und ca. eine Minute vor dem Ziel hatte ich bereits meinen Vordermann, den Michele, vor mir. Michele ist nicht langsam, und in Val di Sole überholen bedeutet fast zwangsläufig dass der Vordermann anhalten muß um den Hintermann vorbeizulassen. Da ich Micheles Lauf nicht versauen wollte, nahm ich etwas Pace heraus und fuhr in einer Distanz von ca. 15 bis 20 m hinterher. Im Endeffekt kam eine 4 min 40 heraus, Platz 25. Damit war ich glücklich, denn ich wusste, dass eine 4 min 30 locker drin ist. Aber die spare ich mir für Sonntag auf, denn erst da zählt es!!
Nach dem Seeding noch schnell einen Trackwalk mit den Jungs… äääh, Großvaterkollegen gemacht, 2 bis 3 bessere Lines gefunden, am Sonntag Morgen ausprobiert, für gut befunden und nun ging es ans Eingemachte!
Val di Sole-Action. Mille grazie Gabriele Zanetti and Yuri Cortinovis for the picture!
Sonntag: Der Finallauf
Leider hat es in der Nacht von Samstag auf Sonntag wieder nicht geregnet. Und nein, das meine ich ernst. Die Strecke schrie geradezu nach etwas Wasser. Teilweise lag der Staub auf der Strecke bis zu 30 cm hoch. Einige der schnellsten Lines waren auch kaum mehr fahrbar. Auch wenn die Rundenzeiten von Run zu Run grundsätzlich schneller wurden, so wurde die Strecke schwieriger und auch etwas langsamer. Die Löcher wurden tiefer und die Strecke rutschiger.
Da man bei der Masters-WM sein Land vertritt, steht es einem frei auch das Nationaltrikot zu tragen. Viele Deutsche fuhren folglich ihre Rennläufe in diesem Trikot. Ich fühlte mich anfangs etwas unwohl, so als „Marcus Klausmann“ verkleidet, denn immer wenn ich Weiß mit Schwarz-Rot-Gold sehe, muß ich an den 15-fachen deutschen Meister denken, und dessen Trikotfarbe zu tragen bin ich unwürdig. Vor meinem Start hatte ich diesbezüglich eine kurze Diskussion mit meinem Freund Pepi Innerhofer, dem Sponsor der italienischen Meisterin Vroni Widmann, welche übrigens das Masters-Rennen kommentierte und am folgenden Wochende den siebten Platz bei der „echten“ WM der Elite-Damen einfuhr. Bezüglich des Themas „Unwürde gegenüber des Nationaltrikots“ meinte Pepi, ich sei durchaus würdig, denn ich erweise meinem Land einen Dienst, wenn ich es auf der WM vertrete. Erhobenen Hauptes, den Pleitegeier auf der Brust, ging ich moralisch gestärkt in Schwarz-Rot-Gold zum Start!
Ingo Osterloh (rechts) und Matthias Reichmann beim Warum-up vor dem Finale
Der Rennlauf
Grundsätzlich missfällt es mir, den Finallauf detailliert aus meiner ganz eigenen Sicht zu schildern, es gibt Wichtigeres auf dieser Welt. Trotzdem halte ich diesen für markant und in vieler Hinsicht interessant und amüsant.
Nach meinem Start lief alles richtig gut… trotz des tiefen Staubs erwischte ich alle meine Lines. In den Kurven musste ich bemerken, dass ich fast überall leicht ins Rutschen kam. Es fühlt sich einfach gut an, schön am einem eigenen Limit zu fahren und das Bike trotzdem noch zu kontrollieren. Doch wie leicht verliert man das Bike aus der Kontrolle wenn man am Limit unterwegs ist. Und so kam es – ca. 200 m hinter „Curva Ravelli“ (=die Schlampe vom Ravello auf Italienisch???) gab es so einen weiß markierten Stein… Steine werden markiert, wenn man diese für gefährlich einschätzt. Ich fand den Stein äußerst hilfreich, denn dahinter kam eine Schrägpassage (off-camber), die man möglichst rechts nehmen musste um nicht abzurutschen. Von je her nahm ich diesen gefährlichen Stein als Kicker ganz nach rechts. Hat immer perfekt funktioniert. Einige Meter dahinter fuhr sich bereits im Training ein kleines Loch heraus – dieses Loch war im Finallauf locker doppelt so tief, und der deutsche Fahrer im MK-ähnlichen Look landete mit seinem Vorderrad just in diesem – trotz 5-Finger-Deathgrip ging nur noch eins: Voll über den Lenker. Nach der Landung auf dem Brustkorb konnte ich zwar nicht mehr atmen, packte jedoch mein Rad und wollte so schnell wie möglich weiter… beim Versuch anzutreten verhakte sich meine soeben abgesprungene Kette zwischen Führung und Kettenblatt oder Kurbel. Ich bekam diese nicht heraus, konnte meine Kurbel in keine gute Position drehen und gab dem Streckenposten meine Aufgabe zu verstehen. Ich wollte sagen „I quit my run“, stattdessen kamen nur komische Laute wie „hiäääää-hiiiiiääähhh-iiiiiiiiihh“ heraus. Diese komischen Geräusche, die man von sich gibt, wenn man soeben voll auf die Lunge oder den Solar Plexus geflogen ist und nach Luft japst. Einige Zuschauer mittleren Alters zeigten sich sichtlich besorgt, diese versuchte ich zu beruhigen, indem ich mit dem Daumen nach oben zeigte während ich weiter unfreiwillig komische Geräusche von mir gab. Zeitgleich begann der nette Streckenposten meine Kette zu entwursteln!!! ALTER!!! Nachdem mich einige Fahrer bereits passiert hatten und der nette Streckenposten die Kette dann wieder oben hatte und ich wieder flach atmen konnte, konnte ich nicht anders als den Anweisungen des hilfsbereiten Mannes Folge zu leisten: Er meinte „Go!!!!“. Mein Lauf war eigentlich vorbei, ich konnte maximal einen Blumentopf gewinnen. Ich erinnerte mich an Pepis Worte: „Erweise Deinem Land einen Dienst!“ Also gab ich nicht auf, vom Patriotismus und den lautstarken italienischen Fans gestärkt fuhr ich auf 150% weiter! Bis ich beim nächsten Stepdown eine Ladung Dreck ins rechte Auge bekam, welche sich offensichtlich bei dem Crash unter meine Goggle geschlichen hatte. Als Kontaktlinsenträger habe ich gar nichts mehr gesehen, und blinzeln brachte auch nichts. Also hielt ich an – ein weiterer hilfsbereiter Italiener erkannte die Notlage spontan und wusch mir mit seinem Mineralwasser den Dreck aus dem Auge. Ich konnte wieder sehen!!!! Wie ich weiter fuhr, gingen mir die Augen auf wie damals den Emaus-Jüngern – er machte Blinde wieder sehend, halleluja, ER WAR ES! DER MESSIAS LEBT! Mir brannte das Herz von dieser Erscheinung, und beflügelt von diesem Wunder erblickte ich spontan eine neuen Line – man springt auf dem einen Felsen ab, über eine größere Rinne und über einen weiteren Felsen und lande auf einem Baumstumpf und einigen Wurzeln. Ab hier ging die Line im 5-Finger-Deathgip-Mode geradeaus durch’s Grobe anstatt links in einer Rinne den Berg auf der Bremse herunter zu stuhlen. Alles innerhalb des Tapes. Noch nie habe ich derart laute Zuschauer erlebt. Und noch nie hatte ich in dieser Passage so viel Spaß. Aufgrund der Zwischenfälle hatte ich auch volle Kraft in den Händen und konnte meinen Lauf mit Mach 9 beenden. Ich war im Endeffekt ca. 3 Minuten Langsamer als im Seeding.
Val di Sole-Action, an der “13” nach der Brücke. Mille grazie Gabriele Zanetti and Yuri Cortinovis for the picture
In meinen 18 Jahren DH-Racing habe ich glaube ich noch keinen vermurksteren Rennlauf gehabt, jedoch auch noch keinen originelleren. Es war einfach super, die Weltmeisterschaftsatmosphäre zusammen mit der temperamentvollen, italienischen Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft der Fans zu erleben. Das ganze gepaart mit einer ECHTEN Downhill-Strecke, einer der besten der Welt, und mit dieser Meinung bin ich nicht alleine. So meinte Rowan Sorrell (Gesamtwertungsführender des EDC) unlängst, er habe das Rennen echt genossen, und die geile Strecke habe die Enttäuschung über seinen verpatzen Rennlauf wett gemacht. Er fuhr kurz nach dem Roadgap, also vor der 2ten Kurve, seine Vorderradfelge an einem Felsen zu Schrott, was zu einem platten Reifen und einem DNF führte, was ihn den Titel kostete. Mein Fast-Teamkollege Andy Brunner fuhr übrigens im Alter von 62 Jahren sein erstes Downhillrennen – DH fährt er seit diesem Jahr, er hat jedoch einen extensive MX- und Rallye-Background. Sich hierfür die WM herauszusuchen finde ich hart, und noch dazu Val di Sole ist oberhart! Ein Riesenrespekt! Er belegte den 4ten Platz in der 60-Plus-Kategorie!
Während meine Wenigkeit nun leider doch keine Glanzleistung erbrachte, gab es doch ein paar andere Landsmänner, die richtig was reißen konnten: So belegte Benny Herold den 4ten Platz in der Kategorie 30-34 Jahre, Frank „Hedi“ Hedwig holte den 6ten Platz in der Kategorie 35 – 39 Jahre und Uli Ellwart wurde 4ter bei den 55-59-Jährigen!
Ich möchte an dieser Stelle mit einem Zitat vom Stefan Herrmann schließen:
„Das war heftig! Erstmal Respekt an alle Teilnehmer von DH Rennen, egal wie gut. Aus meiner Sicht einer der heftigsten Sportarten, vor allem Mental. Man hat nur diese eine Chance und nur 3 - 6 min Zeit. Man muß gut darin sein, die Balance aus Anspannung und Entspannung, aus Distance und Nähe zu finden. Ein kleiner Fehler nur, schon wieder 2 Plätze verloren. Ich habe die spezifischen Fähigkeiten und Fertigkeiten unterschätzt, war zu verhalten, bin aber doch happy, "es getan" zu haben. Danke fürs Daumen drücken. Ach, 7ter bin ich geworden. BikenBockt!“
PS: Ich vermisste Val di Sole bereits wenige Minuten nach meinem Run, und ich will hier wieder her. Offensichtlich soll der Bikepark nächstes Jahr ausgebaut, größer und geiler werden!! Ich bin echt gespannt, was die Jungs und Mädels daraus machen, das kann nur geil werden!! Nächstes Jahr ist die Masters-WM übrigens in Andorra!
PS2: Die Ergebnisse findet Ihr unter www.valdisolebikeland.com oder gesammelt auf Rootsandrain: https://www.rootsandrain.com/race4053/2016-sep-4-uci-masters-world-championships-16-val-di-sole/
DANKE! #fighttheblacksnake
Euer Matse
Gepostet am 13.09.2016 von Martin |