Spotcheck Israel: Daniel unterwegs im Heiligen Land
Die vergleichsweise kleine Wüste Negev liegt zwischen Ägypten und Jordanien im Süden Israels. Dort herrschen in den Wintermonaten angenehme Temperaturen. Wieso wir Euch das erzählen? Weil man dort hervorragend Biken kann! Der Organisator DesertBikeAir.co.il lud uns ein, ihrer Launch-Tour beizuwohnen. Wir nahmen die Einladung gerne an und erlebten Außergewöhnliches..., doch lest selbst!
Ein Trip voller internationalem Flair, Gastfreundschaft, Kamelen, Israelischem Craft-Bier und Steinen. Vielen Steinen.
Natürlich ist Israel ein faszinierendes, facettenreichen aber auch kompliziertes Land. Politisch gesehen gehen die Meinungen weit auseinander. Dem kleinen Flecken Erde zwischen dem Toten Meer und dem Mittelmeer kann man aber auch sehr viel Positives abgewinnen, vor allem seitdem man ein riesiges Trailnetzwerk auf die Beine gestellt hat! Deswegen wollten wir uns so unvoreingenommen wie möglich ein unverfälschtes Bild der Gegend machen und erlebten, was Land und Leute zu bieten hatten. Denn eines ist auch klar: Von der angespannten Lage sollte man sich nicht abschrecken lassen. Und so war es auch, denn zu keinem Zeitpunkt hatten wir irgendwelche Sicherheitsbedenken. Die Devise lautete somit: „Yalla“ – Auf geht’s in die Wüste!
Anreise
Biken in der Negev Wüste klingt ein bisschen nach Abenteuer, oder? Das war es auch. War sie denn schwer erreichbar? Nicht mehr, denn neuerdings gibt es in der nahegelegenen Stadt Eilat einen neuen Flughafen, der von Deutschland aus mit einigen Low-Cost Airlines per Direktflug erreichbar ist. Der Ort liegt direkt am Golf von Akab, am Roten Meer. Von hier aus ist man bereits in der Negev Wüste und relativ zügig am Startpunkt der Tour angelangt. Alternativ gibt es die Möglichkeit, die Anreise aus Tel Aviv mit dem Bus (ca. 2 Stunden) anzutreten.
Von Tel Aviv ins Nirgendwo
Die Ankunft der meisten Gäste fand am Flughafen von Tel Aviv bei strömendem Regen statt. Es kamen 45 Teilnehmer (inklusive 4 Journalisten) aus Frankreich, England, Italien, Australien, Südafrika, den Niederlanden, der Schweiz und natürlich Israel: Ein bunt gemischter Haufen Bike-Enthusiasten! Hinzu kam das DesertBikeAir Team: Medics, Support-Crew, Mechaniker, zwei Fotografen/Videographen, ein Drohnen-Pilot, die Organisatoren und drei Guides. Es war also angerichtet - bis auf das Wetter, das (vorerst) nicht mitspielte, doch das sollte sich noch ändern.
Ein Bus wartete auf die Truppe und sollte die durchnässten Gäste gen Süden befördern, weitab vom wuseligen Treiben Tel Avivs. Nach ca. 2 Stunden Fahrt kamen wir im Dunkeln bei sternenklarem Himmel in unserem ersten Lager an. Jetzt waren wir mitten in der Wüste, einige Kilometer entfernt des Ortes Mitzpe Ramon. „Wow“, dachten wir. Wir waren tatsächlich da. Alles war neu. Von der Umgebung über das Wetter, die Menschen, die
Sprache und die Schriftart bis hin zu dem herrlichen Geruch des frisch zubereiteten Essens, was uns gleich erwartete. Irgendwie war es eine andere Welt und doch war sie einem schnell vertraut, denn durch die Offenheit der Menschen fand man sehr zügig Anschluss. Dies galt sowohl für die Mitarbeiter als auch die Mitreisenden. Das Thema Biken verbindet eben, egal woher man kommt.
Viele in der Runde fragten sich: Was würde uns wohl erwarten? DesertBikeAir-Mitarbeiter Yotam sagte uns: „Alles, nur keine Normalität. Vor allem wer dem grauen Alltag Europas in den Wintermonaten entgehen möchten, der findet hier beste Bedingungen. Die Temperaturen liegen bei angenehmen 18-25 Grad während des Tages. Die Negev Wüste hat auch ein bisschen Ähnlichkeit mit der Moab-Wüste in Utah. Also wer weiß schon was die Zukunft bringt, vielleicht gibt es ja irgendwann mal eine Red Bull Rampage: Israeli Style!“ sagte Yotam lachend. Wir machten uns nach dem Gespräch in Richtung Bett, denn nach der langen Reise war es an der Zeit schlafen zu gehen, um den ersten Tour-Tag ausgeruht zu beginnen.
Die erste Nacht in der Wüste
Wir schliefen in gut isolierten Lehmhütten und alle essentiellen Dinge wie Wasser und Elektrizität funktionierten bestens, wie jede Nacht, denn wir waren nach jeder Tour in einem anderen Camp untergebracht. Zu diesem Zeitpunkt war der Regen aus Tel Aviv längst vorbeigezogen und wir wachten zu einem atemberaubenden Sonnenaufgang auf. Nach der Begrüßung durch die Organisatoren Nir und Asaf sollte sie also los gehen, die Karawane durch die Wüste. Nur eben auf dem Fahrrad und nicht auf Kamelen. Dramaturgisch spielte das Wetter mit und wurde nur noch durch die Aussicht auf eine Klippe, die sich ca. 200 Meter vor unserem Camp auftat, getoppt. Dort begann der Mitzpe Ramon Krater. Also schnell frühstücken, Zähne putzen, Bike klar machen, Gear vorbereiten, Trinkwasser auffüllen und „aufsatteln“.
1. Tag: Mitzpe Ramon Krater
Odad hätte auch Geologe werden können. Unser Guide für die ersten beiden Tage wuchs in der Negev Wüste auf und wusste über so ziemlich alles Bescheid. Wie der besagte Mitzpe Ramon Krater entstand (Spoiler Alert: Es war kein Meteorit) und über die Beschaffenheit des Untergrunds. Wer an Wüste denkt, der hat meistens ein Bild von Sanddünen à la Sahara vor Augen. Die Negev Wüste ist aber bei Weitem nicht so trocken und eher steinig, mit unterschiedlichster Vegetation und Felsformationen, die die verschiedenen Zeit-Epochen sichtbar machten. Vor vielen Millionen Jahren war hier mal ein Meer. Durch tektonische Verschiebungen und Erosion entstand dann der Mitzpe Ramon Krater mit über 40 km Durchmesser, ein imposanter Ausblick von der Klippe aus!
Dann die Gewissheit, gleich in den besagten Krater abzutauchen, ließ die Vorfreude steigen: Zuerst ging es viel bergab, so um die 700 Tiefenmeter - we like! Dadurch konnte man sich erst einmal an das geliehene Bike gewöhnen (Ein neues Trek Remedy) und das Abfahren genießen. Es gab viel Schotterstraße, doch nach und nach offenbarte sich die Baukunst der hiesigen Trailbauer: Wir sollten ein gut ausgebautes Single-Track Netzwerk vorfinden - und das mitten im Nirgendwo. Die meiste Zeit war der Trail steinig, ohne dabei zu technisch zu sein.
Am ersten Tag fuhren wir eine ca. 45 km lange Tour, von der knapp die Hälfte auf Single- Track stattfand. Zwischendurch erwarteten uns immer wieder kleine Support-Stops. Die Aufgabe der Support-Crew war es, das Gepäck per Pickup und Jeep von Camp zu Camp zu bringen und in der Wüste kleinere Erholungsoasen aufzubauen. Hier wurde man neben dem essentiellen Wasser natürlich auch mit allerhand frischen Leckereien versorgt: Gebäck, Obst oder Früchte, die den Energiespeicher wieder auffüllen sollten. Darunter waren Datteln, die fast so groß wie Tomaten waren.
Nach der Tour gab es dann Wüsten-Camp Feeling pur: Rudimentäre Duschen, die auf Paletten aufgebaut und an einen Wassertank angeschlossen waren. Absolut kein Luxus, doch genauso wollten wir es: authentisch! Nach dem Abendessen saßen wir am Lagerfeuer vor einem riesigen Beduinen-Zelt. Dazu Wolkenformationen, wie man sie nur in der Wüste sieht – was für ein grandioser Abschluss eines unvergesslichen Tages. Hatten wir Bedenken, ob wir in diesem riesigen Zelt mit so vielen Menschen ein Auge zu bekommen würden? Vielleicht schon, doch dank der Kombination aus Biken und Bier sollten wir bestens schlafen.
2. Tag: Machtesh Ramon
„Dash-Dash“ ist das hebräische Wort für Sand in getrockneten Flussbetten. Dieses Wort wurde von der Reisegruppe schnell in den täglichen Sprachgebrauch aufgenommen. Normalerweise ist Dash-Dash recht einfach zu befahren. Ein bisschen Speed und schon fährt man durch den etwas dichteren Sand wie ein Messer durch Butter. Allerdings geschah ein paar Tage vor unserer Anreise etwas, was man hier nicht unbedingt erwartet: Es regnete. Und das recht viel und heftig: „Ganz so ungewöhnlich ist das nicht“, sagte Guide Odad. Im Gegenteil, es käme öfters vor, als man es in einer Wüste vermutet. Und es sei gut, denn schließlich brauche man ja das Wasser. Aber ganz ohne Tücken ist das nicht. Die „Flashfloods“, also Sturzfluten, können ein trockenes Flussbett schnell zu einem reißenden Fluß werden lassen. Dann möchte man eher mit dem Kanu unterwegs sein als mit dem Fahrrad. Erst vor Kurzem sei eine Schulklasse beim Wandern von einem Helikopter aus prekärer Situation gerettet worden.
Besonders am zweiten Tag war das erwähnte Dash-Dash vielerorts sichtbar. Manchmal musste man absteigen und das Bike schieben. Der Regen vor ein paar Tagen ließ auch kleinere Flüsse zurück. Unterschätzen sollte man es zwar nicht, doch die Jungs von DesertBikeAir waren bestens darauf vorbereitet. Viele Support-Crew Mitarbeiter und Guides wuchsen hier auf und wussten um die potentiellen Gefahren. Lange Rede kurzer Sinn: Da es erst jüngst regnete, war das Dash-Dash etwas schwerer zu befahren. Doch wir sahen es positiv, denn es bescherte uns schöne Foto-Motive. Nach einer Eingewöhnungsphase kam die Gruppe dann immer besser mit dem Sand zurecht.
Der zweite Tag war darüberhinaus historisch äußerst wertvoll, denn man fuhr auf der uralten „Spice-Route“, auf der immer wieder alte Reliquien aus vergangener Zeit aufblitzten. Man stiess auf alte Aquädukte, die zum Teil sogar noch intakt waren. Ihre Aufgabe war es, das wenig vorhandene Regenwasser zu speichern. Dank einer genialen Bauweise, die ihrer Zeit voraus war, gelang es, das kostbare Nass zu speichern. Apropos „Nass“: Am Abend erwartete uns ein Camp in der Nähe von Jordanien mit einem beheizten Pool unter Wüstenhimmel. Ein Traum. Nach dem etwas anstrengendem Dash- Dash, war das der perfekte Abschluss des Tages für müde Biker-Beine.
3. Tag: Shaharut
Die hervorragende Unterkunft mitsamt Kamelen, beheiztem Pool, dem Blick Richtung jordanische Grenze und vorzüglichem Essen musste zurückgelassen werden, denn es standen 55 km auf dem Programm. Es war der längste Tour-Tag und es ging durch ein paar technische Sektionen, ohne dabei die meisten Fahrer zu überfordern. Dazu sah man Felsformationen, wie man sie aus New Mexiko oder Western-Filmen kannte - einfach der Hammer! Unser Guide an diesem Tag war Itai und er lotste uns schließlich zu unserem letzten Camp, welches sich urplötzlich hinter einem Hügel auftat: Viele Palmen, die einen kleinen See umgaben, sowie drei riesige Beduinen-Zelte versprühten ein ganz besonderes Oasen-Flair. Der Plan war einfach: Erstmal duschen und den Wüstenstaub abwaschen. Danach ein kühles Getränk schlürfen, während man sich mit den anderen Bikern über das Erlebte unterhielt. Danach den Sonnenuntergang genießen und sich denken: „Alles richtig gemacht“.
4. Tag: Timna Park
Der letzte Tag war eigentlich als reiner Abreisetag geplant. Doch die Organisatoren hatten noch eine Überraschung für die vier Journalisten parat: Sie wollten uns den neuen, fast fertig gestellten Trail des hiesigen Parks zeigen: Yaron hiess der dortige Trailbauer und war unser Guide für den Tag. Er und seine Trail-Builder Crew (darunter der Israelische DH- Champion) arbeiteten daran, die Trails weiter zu expandieren. Yaron war ein verrückter, lustiger Typ. Es war zu keinem Zeitpunkt langweilig und sehr unterhaltsam. Er und seine Crew haben maßgeblichen Anteil daran, dass das Trailnetz weiter gesponnen wird.
Es warteten die technisch anspruchsvollsten Trails der Launch-Tour auf uns und das machte richtig Laune, auch wenn die Beine von den vorherigen Tagen etwas müde waren. Los ging es noch während des Sonnenaufgangs um 6:30 Uhr auf eine kurze und knackige Tour mit 25 km Länge.
Teilweise fuhr man auf Abschnitten, die keine 300 Meter lang waren, aber wofür Yaron und seine Crew knapp sechs Wochen brauchten, um es fertig zu stellen. Was in unseren heimischen Gefilden oftmals mit einfachen Tools in kürzerer Zeit bewerkstelligt werden kann, benötigt hier schweres Gerät, damit massivste Felsen aus dem Weg geräumt werden können. Mit Baggern und „Kevlar-Kissen“ werden sie hier beackert. Die „Kissen“ werden zwischen die Felsen gebracht und mit Hochdruck aufgeblasen, damit das Gestein bewegt werden kann. Das Bauen der Trails ist hier echte Knochenarbeit und wir ziehen den Hut vor dieser Leistung.
Eigenes Bike mitbringen oder ausleihen?
Natürlich bleibt dies jedem selbst überlassen, doch bei der Auswahl des Bikes würden wir empfehlen, auf die gut gewarteten Leih-Bikes zurück zu greifen. In der Wüste kriegen die Bikes nämlich einiges ab. Staub und Steine können dem Bike zusetzen, auch wenn es bei 45 Teilnehmern schon fast an einem Wunder grenzte, dass größeren Pannen oder Blessuren ausblieben. Gut, ein etwas älterer Australier schien den Boden gerne öfter inspizieren zu wollen und wälzte sich regelmäßig darin. Eine Israelin schaffte es, ihr Schaltwerk mitsamt Speichen zu schrotten. Doch für alle ging die Fahrt weiter.
Wer sein eigenes Bike mitbringen und auf die vielen brandneuen 27,5er und 29er Bikes verzichten möchte, der kann dies tun. Es kann aber am Flughafen zu Verzögerungen kommen, da die Israelis bei ihren Security-Checks nunmal sehr genau sind und man viel länger am Schalter steht, als man das anderenorts gewohnt ist. Mit einer Bike-Tasche kann dies überproportional länger dauern, also: Früh genug an den Israelischen Flughafen kommen, damit man seinen Flug nicht verpasst!
Unser Fazit
Bei guter Gesellschaft lässt es sich bestens bei einfachsten Begebenheiten aushalten. Man zelebriert es sogar. Denn wer kann schon behaupten, mit 45 anderen in einem Beduinen-Zelt in der Mitte der israelischen Wüste übernachtet zu haben? Hier ist man weitab der Zivilisation und doch nie allzu weit vom nächsten Dorf oder Wüsten- Behausung entfernt. Die Trails sind bestens ausgeschildert und die Behörden des Nationalparks finanzieren das Projekt brav mit. Der Sport bekommt also die nötige Unterstützung. Und das in einem Gebiet, wo man es nicht zwangsläufig erwartet. Wir sind gespannt, wie es sich weiter entwickelt!
Die Idee von DesertBikeAir besteht darin, organisiertes Abenteuer anzubieten. Das Trail- Building und der (sanfte) Tourismus werden weiterhin voran getrieben. Insgesamt ist die Infrastruktur gegeben und die ca. 1500 km Trail im ganzen Land sprechen für sich. Hat man im Norden eher grüne Landschaft, so bietet der Süden schroffe Felsformationen und Wüsten-Panorama par excellence. DesertBikeAir bietet beide Tour-Spektren an, von Nord- bis nach Südisrael. Die Saison ist von Oktober bis März/April. Das nächste Negev- Abenteuer ist für Ende Februar geplant und soll danach eine regelmäßige, wöchentliche Angelegenheit werden. Wir haben ein top organisiertes Team vorgefunden, welches uns bestens versorgte und immer zur Stelle war. Sie waren es, die uns ein außergewöhnliches Abenteuer ermöglichten. Wer dem Winter also für einige Zeit entkommen und in eine völlig neue Welt eintauchen will, dem können wir es wärmstens empfehlen! Schaut einfach auf desertbikeair.co.il vorbei und sichert Euch einen Platz für den nächsten Trip Ende Februar 2021!
Mehr unter desert-bikeair.co.il
Fotos: Daniel Wakeford / Ilan Shacham / DesertBikeAir
Gepostet am 05.10.2020 von Daniel Wakeford |